6th Congress in Budapest


Der 6. Kongress der ETF war ein herausragendes Event. Mit 285 Delegierten und 272 Beobachtern waren rund 38 Länder in Budapest vertreten.
Nach einem festlichen Auftakt am Abend des 24. Mai folgten 3 Tage geballter Gewerkschaftsarbeit, ein Rückblick auf Geleistetes und ein Ausblick auf die kommenden Herausforderungen im Transportsektor.
Die amtierende Generalsekretärin, Livia Spera, umriss die Arbeiten der ETF der vergangenen 5 Jahre in ihrem Tätigkeitsbericht mit dem einleitenden Satz: Heute ist alles anders!
Und in der Tat ab der Wahl von Frank Moreels an die Spitze der ETF auf dem Kongress 2017 in Barcelona, begann ein interner Prozess innerhalb der Transportarbeiterföderation, gemäss dem Motto:

Moving ETF forward!


Sämtliche ETF - Strukturen wurden einer Überprüfung unterzogen und zwar in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsgewerkschaften.
Es gab Abänderungen bei der Besetzung von Mandatsposten und die Arbeitsweise des ETF-Sekretariat wurde zwecks Optimierung analysiert. Doch auch in den einzelnen Sektion und Ausschüssen wurden die Arbeitsprozesse überdacht. Während diesem Prozess wurde viel Teamgeist an den Tag gelegt in und mit allen umliegenden Strukturen der ETF.
Erste Früchte hat diese Restrukturierung schon getragen. Denn im Jahr 2022 verfügt die ETF über ein dynamischeres Sekretariat, die Sichtbarkeit der ETF wurde erheblich verbessert, man hat die Sektorübergreifende Arbeit verstärkt.
Die ETF hat sich von einer reinen EU-Lobbying Organisation zu einer wahren europäischen Transportmodi übergreifenden
Organisation entwickelt.

#fairtransport


ist unser neues Branding, unsere Marke und steht für unsere gewerkschaftliche Einheit auf europäischer Ebene.
Die ETF verfügt über eine klare Strategie:
• wir wollen zusammen arbeiten und nicht konkurieren,
• wir wollen Raum geschaffen für Themen, wie z.B: die Plattformarbeit (in Zusammenarbeit mit dem EGB), die Logistik
und den E-commerce,
• wir wollen Raum schaffen für horizontale, bzw Sektor übergreifende Themen,
• wir wollen mehr und vor allem einen koherenteren Austausch in den Bereichen Klimawandel, Digitalisiserung oder Entsendung
von Arbeitnehmern.
Doch Livia Spera kam nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass keiner von uns auch nur im Entferntesten mit dem Ausbruch einer Pandemie des Covid-19 gerechnet hatte. Von heute auf Morgen war die Welt eine andere. Termine mussten umorganisisert werden, man musste sich mit neuen, digitalen Arbeitsweisen vertraut machen und gleichzeitig an der Transportfront den Arbeitenden zur Hilfe kommen, die auf See oder zur Land an Grenzen stecken geblieben waren.
Und nicht zuletzt hat der Krieg in der Ukraine, auf sehr traurige Weise unsere Prioritäten neu definiert. Mitgliedsorganisationen, die betroffen sind, sollten konstruktiv miteinander reden, so Livia Spera weiter.
Nach dem Tätigkeitsbericht folgten die Berichte der einzelnen Sektionen und Unterorganisationen, welche hier kurz umrissen werden:

Sektion Eisenbahn: nicht alles Rosarot
Präsident Giorgio Tuti machte eingangs sofort klar, dass man sehr enttäuscht, sprich sauer mit der europäichen Kommission war, da diese das Jahre 2021 als Jahr der Eisenbahn erklärte. Für die ETF war es da rasch klar, dass wir diese Initiative in "das Jahr der Eisenbahner und Eisenbahnerinnen" umbenennen würden. Ebenfalls erklärte Tuti, dass die Eisenbahn nicht nur das Rückgrat des öffentlichen Transportes sei, sondern ganz klar ein Teil der Lösung in bezug auf den Klimawandel. Bei den europäischen Eisenbahnen sei nicht alles rosarot, sondern man trete noch immer:
• für verbesserte Anstellungsbedingungen ein,
• für verbesserte Arbeitsbedingungen ein,
• gegen jede Form von Sozialdumping im Schienenverkehr.
In Bezug auf den Sozialdialog mit der CER unterstrich Tuti, dass ein Neustart des Sozialdialogs unter der Präsidentschaft der ETF gelungen sei, und zwar über Taten und konkrete Inhalte und bindende Abkommen, wie das "Women in rail"-Abkommen. Es sei klar, dass man das Patronat stets unter Druck setzen muss, indem man an einem Sozialdialog festhält, der bindende und verpflichtende Abkommen hervorbringt.

Sektion ÖPNV: Wettbewerb im ÖPNV darf kein Selbstzweck sein,

sondern nur zu mehr Qualität führen, so Dirk Schlömer, Präsident der Sektion des ÖPNV. Derzeit aber sei man über die Sicherheitssituation im ÖPNV sehr besorgt. Unter anderem durch die Einführung der Maskenpflicht hat die Gewalt im ÖPNV wesentlich zugenommen, das belastet die Arbeitenden sehr. Hier reiche eine gemeinsame Empfehlung mit der UITP, nicht aus. Als ETF wolle man einen sicheren ÖPNV für den Kunden und den Beschäftigten, denn dies ist ein wichtiger Baustein um die europäischen EU-Klimaziele zu erreichen. Europa ist nicht nur für Industrie und Wirtschaft, Europa ist für die Menschen.

Sektion Strasse: Gewerkschaften aufbauen und Mobilisierung stärken

Roberto Parillo sieht eine grosse Herausforderung in der Implementierung künftiger Gewerkschaften in manchen osteuropäischen Ländern, wie z.B. in Litauen, wo LKW-Fahrer wie Sklaven behandelt werden. Des Weiteren unterstrich er eine doppelte Herausforderung für die Sektion Strasse: einerseits die Implementierung des Mobilitätspakets, andererseits müsse man als Sozialpartner darauf achten, wie die Strasse als Lösungselement im Green Deal eingebunden werden kann.

Binnenschifffahrt & maritimer Transport

Joris Kerkshofs, Präsident der Sektion Binnenschifffahrt unterstrich in seinem Vortrag, dass es mit dem Projekt "Platina" endlich gelungen sei Aktionspläne für diesen Bereich aufzulisten, denn bis dato habe es keine europäischen Normen für die Binnenschifffahrt gegeben. Ebenfalls sei das sogenannte Greening, sprich Umweltmassnahmen
für die Binnenschifffahrt eine grosse Herausforderung. Im Bereich des maritimen Transports, berichtete deren Vorsitzender
Kenny Reinhold, dass die Pandemie sich schrecklich auf die Seeleute ausgewirkt hat und die Probleme der Industrie schonungslos ans Tageslicht brachte. Derzeit erlebe man eine Erosion, der Rechte der Beschäftigten und man rufe die EU dazu auf die Seeleute als wesentliche Transportarbeiter anzuerkennen und ihnen Zugang zur Impfung zu gewährleisten.

Fischerei & Dockers

Juan Manuel Trujillo umriss die zahlreichen Probleme seines Sektors:
• Frauen lassen sich nicht für diesen Sektor gewinnen,
• die Fischerei hat eine prekäre Situation,
• der Druck durch Auflagen zur nachhaltigen Fischerei ist sehrhoch,
• eine hohe Anzahl an Unfällen mangels Sicherheitsstandards,
• Nachwuchsprobleme & Personalmangel.

"It's the fish that counts, not the fisher!",

wie Livia Spera treffend folgerte.
Im Bereich der Dockers berichtete, Terje Samuelsen, dass im Hafenunf Schifffahrtsbereich die Automatisierung im vollen Gange ist. Seeleute sollen immer mehr Hafenarbeit übernehmen. Dies kann aber nur mit adäquaten Schulungen funktionieren. Derzeit gibt es eine Diskussion, wer welche Aufgaben übernehmen soll. Hier habe man eine gute Zusammenarbeit mit den Seeleuten. Auf keinen Fall werde man hinnehmen, dass die Arbeitsgeber die Sicherheit der Arbeiter aufs Spiel setzen.

Sektion Zivile Flugfahrt

Oliver Richardson umriss ein recht düsteres Bild der zivilen Aviation. Nach seinen Angaben werden auf kurz oder lang die sogenannten Big 5 in der Fliegerei den Ton angeben und dies vor allem nach der Erholung von der Pandemie. Dies sei eine besorgniserregende Entwicklung und sicherlich schwer Hand zu haben sein, besonders in Bezug auf den Transfer von Arbeitskräften.

Youth Committee

Kamil Butler betonte, dass man Schulungen in vielen Bereichen dringend fördern muss, und besonders auch im Gewerschaftswesen. Die ETF-Youth soll das Sprachrohr der jungen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Europas sein. Darum wolle man auch verstärkt in den sozialen Medien auftreten und diese nutzen um weitere Netzwerke aufzubauen.

Women's Committee

Wie die Vorsitzende des Frauenausschusses, Sara Tripodi, es treffen bemerkte, bliebe noch viel in Punkto Repräsentativität der Frauen zu tun. Der Beweis liefere die augenblickliche Diskussionsrunde, in der sie die einzige Dame wäre.
Des Weiteren unterstrich Sara Tripodi die positive Message des Abkommens "Women in Rail". Jetzt gelte es dieses Abkommen in den Unternehmen zu implementieren und ebenfalls ein Monitoring zu machen. Das WIR-Abkommen müsse zur Regel werden in sämtlichen Sektoren des Transports. Des Weiteren sprach sie den Handlungsbedarf im Bereich Gewalt gegen Frauen am Arbeitsplatz an. Ein Thema, an dem noch viel gearbeitet werden muss.
Hier noch die 3 Leitlinien der Motion des 6. ETF-Kongresses:

Unsere Vision: Fairer Transport

• Die Zukunft des Verkehrs und der Verkehrsarbeit
Während wir uns für den Aufschwung nach COVID in ganz Europa einsetzen, verpflichtet sich die ETF zur Entwicklung einer arbeitnehmerzentrierten und wirklich fairen und grünen Gesellschaft. Die wesentliche Rolle der Beschäftigten im Transportwesen darf nie vergessen werden. In jeder nationalen und transnationalen Politik, Gesetzgebung und Regulierung müssen, die Rechte und Bedingungen der Beschäftigten im Mittelpunkt stehen, damit alle zukünftigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Übergänge gerecht sind!
• Die Zukunft der ETF
Die ETF hat sich zu einem proaktiven Erneuerungsprozess verpflichtet, um ihre Kapazität und Effektivität sowie ihre Reaktionsfähigkeit und ihr Engagement für ihre Mitgliedsorganisationen und Mitglieder zu erhöhen. Dieser Prozess fördert im Wesentlichen den Austausch, die Überwachung und die Bewertung mit dem Ziel, eine intelligentere, proaktivere, widerstandsfähigere und demokratischere Organisation zu entwickeln.
• Die ETF als sektorale und organisierende Kraft
Die ETF setzt sich für die Wiederbelebung der internationalen Gewerkschaftsbewegung ein und fördert den internationalen
Austausch, das Lernen, die Solidarität und die Zusammenarbeit mit dem Ziel, die demokratische Macht der Beschäftigten in ganz Europa zu stärken. Dieser Kampf ist grundlegend mit dem Kampf für stabile, sichere und gut bezahlte Arbeit verbunden. Die ETF wird nicht nur die Stimme der Transportarbeiter/innen in der EU sein, sondern sich auch zu einer Organisation der sektoralen Basis- und Organisierungsarbeit entwickeln. Das bedeutet, dass wir an den Arbeitsplatz zurückkehren müssen.

Mylène BIANCHY,