Aufruf an die neu gewählten europäischen Abgeordneten
Als SYPROLUX sind wir Teil der europäischen Transportarbeiterföderation, ETF. Mit unseren Kolleg:innen teilen wir das Streben nach einem sicheren, nachhaltigen und sozialgerechten europäischen Eisenbahnsektor. In diesem zusammenhang geht folgender Aufruf an die neugewählten europäischen Abgeordneten:
Die europäischen Eisenbahnen sind von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele für einen “grünen” Übergang. Die derzeitige Europäische Kommission strebt an, die Emissionen des Verkehrssektors bis 2050 um 90 % zu reduzieren. Dies kann nur mit einem gut funktionierenden Eisenbahnsektor erreicht werden, der das Rückgrat des europäischen Verkehrssystems bildet. In ihrer Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, den Schienengüterverkehr bis 2050 zu verdoppeln und den Hochgeschwindigkeits-Personenverkehr sogar zu verdreifachen. Die ETF-Sektion Eisenbahnen hat diese Ziele begrüßt und unterstützt. Es fehlt jedoch an ausreichenden Fortschritten.
Aus diesem Grund unterstützen wir als SYPROLUX folgende ETF Prioritäten und rufen die künftigen luxemburgischen Europabgeordneten auf diesen in der nächsten Legislaturperiode Rechnung zu tragen
1. Eisenbahnen sind eine öffentliche Dienstleistung
Die Eisenbahnen erbringen eine Dienstleistung, die dem Gemeinwohl unserer Gesellschaft dient. Sie bieten einen kohlenstoffarmen Personen- und Gütertransport, der unserer Umwelt zugute kommt, Gemeinden miteinander verbindet und Staus auf unseren Straßen entlastet. Aus diesen Gründen lassen sich die „Gewinne“ der Eisenbahnen nicht nur in Geld ausdrücken. Die Eisenbahn erbringt Dienstleistungen, die nicht privaten Unternehmen überlassen werden können, die auf einem Markt tätig sind, der nur über den Preis konkurriert. Diese Dienstleistungen werden am besten von integrierten Unternehmen erbracht, die von der öffentlichen Hand demokratisch kontrolliert werden. Der Schienenverkehr sollte zu einem Sektor von allgemeinem Interesse erklärt und mit den erforderlichen öffentlichen Mitteln unterstützt werden.
2. Den Sektor für Arbeitnehmer:innen attraktiv gestalten
Für den Zugbetrieb sind mehr als 300 verschiedene Berufe erforderlich. Gegenwärtig gelingt es vielen Eisenbahnunternehmen nicht, so viele Mitarbeiter:innen zu gewinnen, wie sie benötigen. Der Arbeitskräftemangel in diesem Sektor dürfte sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, da ein großer Teil der Eisenbahner:innen europaweit in den Ruhestand gehen wird. Die einzige Möglichkeit für den Bahnsektor, den grünen Wandel zu vollziehen, besteht darin, dass die Bahnunternehmen als Arbeitgeber attraktiver werden, insbesondere für unterrepräsentierte Gruppen wie junge und weibliche Arbeitnehmer. Dies beginnt mit einem guten Gehalt, Arbeitsplatzsicherheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sicheren Arbeitsbedingungen und einem gut funktionierenden Dialog mit den Gewerkschaften. Ebenso müssen die Sicherheit und der Schutz der Arbeitnehmer:innen Vorrang haben. In ganz Europa haben wir einen Anstieg der Aggression gegenüber dem Bahnpersonal beobachtet, was dazu führt, dass Menschen den Sektor verlassen oder lange krankgeschrieben sind. Das muss aufhören. (1)
1. Investitionen in grüne Mobilität
Züge können nicht allein mit “grünen” Ambitionen fahren. Damit die Eisenbahnen die in der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität festgelegten Ziele erreichen können, sind erhebliche Investitionen in rollendes Material, Infrastruktur und Personal erforderlich. Seit 1995 hat Europa 15.000 km Schienen verloren, aber 30.000 km Autobahnen gebaut. (2) Darüber hinaus führt die weit verbreitete unterlassene Instandhaltung der Infrastruktur zu unnötigen Verspätungen und im schlimmsten Fall zu Unfällen. Um eine Trendwende herbeizuführen, müssen die politischen Entscheidungsträger ihren Worten Taten folgen lassen und kurz- und langfristige öffentliche Mittel für die Instandhaltung und den Ausbau der Eisenbahnen in Europa bereitstellen.
2. Schluss mit der Ideologie oder Liberalisierung Zeit für eine Neubewertung der EU-Eisenbahnpolitik
Die EU-Eisenbahnpolitik der letzten drei Jahrzehnte wurde von der unbegründeten Hoffnung geleitet, dass der Wettbewerb zu besseren Dienstleistungen, niedrigeren Preisen und einem höheren Anteil am Verkehrsaufkommen führt. Die ETF und ihre Mitgliedsorganisationen haben diese Strategie von Anfang an abgelehnt, weil wir wissen, dass der Eisenbahnsektor am besten als integriertes System funktioniert, in dem die Unternehmen zusammenarbeiten können, um den besten Service zu bieten. Nach 30 Jahren Liberalisierung sowohl des Personen- als auch des Güterverkehrs sehen wir keine positiven Ergebnisse der Liberalisierung.(3)
Die vorhergesagten Steigerungen des “Modalsplit” sind nicht eingetreten, die Preise für die Nutzer:innen sind gestiegen und die Arbeitsbedingungen für die Eisenbahner:innen haben sich verschlechtert. Die ETF fordert die europäischen Entscheidungsträger auf, eine gründliche und objektive Bewertung ihrer bisherigen Eisenbahnpolitik vorzunehmen. Für die Zukunft brauchen wir eine kohärente Eisenbahnpolitik, die aktiv die Zusammenarbeit und öffentliche Investitionen fördert.
3. Aktive Förderung der Verkehrsverlagerung (modal shift)
Die Schiene wird niemals mit der Straße oder dem Flugzeug konkurrieren können, solange diese Verkehrsträger weiterhin Arbeitnehmer:innen ausbeuten und ihre Umweltkosten auf die Gesellschaft abwälzen dürfen. Um wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, müssen sich die externen (sozialen und ökologischen) Kosten aller Verkehrsträger in ihren Preisen widerspiegeln. Wir fordern die politischen Entscheidungsträger auf, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr eine Verlagerung auf die Schiene aktiv zu fördern. Dazu gehört die ausgewogene Förderung des internationalen und regionalen Schienenpersonenverkehrs, die Erleichterung des multimodalen Verkehrs und die Beibehaltung des Einzelwagenverkehrs im Güterverkehr.
mitgeteilt im Juni 2024
Quellennachweis:
(1) ETF manifesto on 3rd party violence against railway workers
(2) Rudolph, F., Riach, N., Kees, J. (2023). Development of Transport Infrastructure in Europe. Exploring the shrinking and expansion of railways, motorways and airports. Berlin/Wuppertal: T3 Transportation Think Tank/Wuppertal Institute.
(3) ETF policy paper on Lessons learned from three decades of liberalisation of the European Railways
Öffentlicher Verkehr Das pulsierende Herz der städtischen Mobilität
Der SYPROLUX ist ebenfalls in der ETF - Sektion ÖPNV vertreten. In diesem Zusammenhang setzen wir uns für einen effizienten, sicheren und fairen öffentlichen Personennahverkehr ein. Wir unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen indem wir folgenden Aufruf teilen, der an die neu gewählten Europaabgeordnete geht:
Der öffentliche Nahverkehr ist das pulsierende Herz des städtischen Lebens. Viele Pendler sind auf Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen und Regionalzüge angewiesen, um täglich zur Arbeit zu kommen. Wenn die Ziele des europäischen Green Deals erreicht werden sollen, müssen viel mehr Menschen den öffentlichen Verkehr nutzen. Um dies zu erreichen, muss die Fortbewegung in unseren Städten neu überdacht werden. Öffentliche Verkehrsmittel, Rad- und Fußgängerverkehr müssen Vorrang vor dem Auto haben. Weniger Autos in den Städten und mehr öffentliche Verkehrsmittel bedeuten auch sauberere, lebenswertere und gesündere Städte. Weniger Parkplätze schaffen mehr Wohnraum und beleben unsere Städte.Viele Menschen leben auch außerhalb der Städte in Vorstädten und ländlichen Gebieten. Auch sie müssen durch einen flächendeckenden un zuverlässigen öffentlichen Personennahverkehr erschlossen werden. Stadt und Land müssen so miteinander verbunden werden, dass Anreize für die Nutzung des öffentlichen Verkehrs geschaffen werden.Um dieses Ziel einer klimaneutralen Mobilität zu erreichen, muss die europäische Verkehrspolitik neu ausgerichtet werden. Klimaneutrale Mobilität bedeutet hohe Investitionen in einen emissionsfreien und sozialverträglichen öffentlichen Verkehr. Die großen Investitionen in Infrastruktur und klimaneutrale Energie müssen den Netzwerkeffekt
des integrierten ÖPNV für die Planung und Umsetzung dieser Umstellung nutzen.Für die EU-Politik bedeutet dies, die Erreichung der Klimaneutralitätsziele vor den Wettbewerb zu stellen. Wettbewerbsdenken hat in der Vergangenheit den Ausbau von zuverlässigen und effizienten öffentlichen Verkehrssystemen eher behindert als gefördert. Die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs darf nicht dem Wettbewerb überlassen werden, denn die Sicherstellung des Zugangs der Menschen zum öffentlichen Verkehr ist die Garantie für eine gut funktionierende Gesellschaft und Wirtschaft. Die EU-Politik muss diese Aufgabe in der neuen Legislaturperiode angehen.
1. Der öffentliche Verkehr als Dienstleistung im öffentlichen Interesse
Der öffentliche Verkehr ist aufgrund des preisorientierten Wettbewerbs unzuverlässig geworden. Die Gesamtleistung hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Züge und Busse können nicht fahren oder haben Verspätung, weil es an Fahrern mangelt. Notwendige Reserven an Personal und rollendem Material wurden aufgrund von Wettbewerb und Billigangeboten abgebaut. Dabei ist der öffentliche Verkehr das Herzstück jeder städtischen Mobilität und unverzichtbar für eine effiziente städtische Wirtschaft und die ökologische Mobilitätswende. Der öffentliche Verkehr ist eine öffentliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse und sollte als solche deklariert und behandelt werden. Ausreichende öffentliche Mittel müssen zur Verfügung gestellt werden. Wenn diese nicht ausreichen, sollte auch die Finanzierung durch Dritte in den Mitgliedstaaten weiter gefördert werden.
1. Wirksame Bekämpfung des Personalmangels durch faire Beschäftigung
Personalknappheit ist eines der größten Probleme im öffentlichen Verkehr. In fast allen Mitgliedstaaten hat die wettbewerbsbedingte Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren dazu geführt, dass viele Mitarbeiter den Sektor verlassen haben. Die Folge ist, dass immer mehr Züge und Busse ausfallen und Leistungen gekürzt werden. Dies wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken, da viele ältere Mitarbeiter, die so genannte "Babyboom"-Generation, in den Ruhestand gehen werden. Um einen effizienten und zuverlässigen öffentlichen Personennahverkehr zu schaffen, brauchen wir eine ausreichende Anzahl qualifizierter und engagierter Mitarbeiter. Moderne und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle sind wichtig, um in Zukunft mehr Mitarbeiter für diese Branche zu finden und auch den sehr geringen Frauenanteil zu erhöhen. Ausreichende, sichere Sozial- und Sanitärräume beim Schicht-/Routenwechsel müssen ebenfalls obligatorisch sein.Sicherheit für Beschäftigte und Nutzer ist ein immer wichtigeres Thema. Alle bisherigen Bemühungen haben nicht dazu geführt, dass die Zahl der gewalttätigen Übergriffe zurückgegangen ist. Die europäische Politik muss hier ansetzen und verbindliche Anforderungen zur Bekämpfung von Gewalt und Belästigung in Bussen, Straßenbahnen, Zügen und öffentlichen Verkehrsmitteln festlegen.
2. Intermodalität und Gesamtverkehrsplanung zugunsten des öffentlichen Verkehrs
Die Mobilität in den Städten und ländlichen Gebieten muss neu gedacht werden. Nicht das Auto, sondern der öffentliche Verkehr muss im Mittelpunkt der städtischen Mobilität stehen. Zu diesem Zweck muss der städtische Raum neu verteilt werden. Der grundsätzliche Vorrang des öffentlichen Verkehrs muss gewährleistet sein. Dazu muss der nicht-motorisierte Individualverkehr weiter ausgebaut werden. Ein Netz von Radwegen und Fußgängerzonen muss so mit dem öffentlichen Verkehr verknüpft werden, dass die Menschen alle täglichen Ziele bequem und pünktlich erreichen können. Um einen klimaneutralen Stadtverkehr zu erreichen, muss in Zukunft auch die Versorgung mit der notwendigen klimaneutralen Energie berücksichtigt werden. Dazu ist es notwendig, die Infrastruktur zu schaffen und ausreichend Wasserstoff oder Strom an den erforderlichen Standorten zur Verfügung zu stellen. Es ist daher unabdingbar, Verkehrs- und Energieplanung zu verbinden. Diese Ziele sollten in Zukunft Bestandteil aller Nahverkehrspläne sein.
3. Schluss mit der Liberalisierungsideologie - Neubewertung der EU-Politik für den öffentlichen Verkehr
Die EU-Politik für den öffentlichen Verkehr auf Schiene und Straße wurde in den letzten drei Jahrzehnten von der unbegründeten Hoffnung geleitet, dass der Wettbewerb zu besseren Dienstleistungen, niedrigeren Preisen und einem höheren Anteil am Verkehrsaufkommen führt. Die ETF hat diese Strategie von Anfang an abgelehnt, weil wir wissen, dass der öffentliche Verkehr am besten als integriertes System funktioniert, in dem die Unternehmen zusammenarbeiten können, um den besten Service zu bieten.Nach 30 Jahren Liberalisierung können wir keine positiven Ergebnisse feststellen. Die Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs ist stark gesunken und die Arbeitsbedingungen in diesem Sektor haben sich verschlechtert. Die ETF fordert die europäischen Entscheidungsträger auf, eine gründliche und objektive Bewertung ihrer Politik für den öffentlichen Verkehr vorzunehmen. Wir müssen die Verordnungen über die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen (PSO) überarbeiten und anpassen, um die Direktvergabe eindeutig zu begünstigen. Für die Zukunft brauchen wir eine kohärente Politik, die aktiv die öffentliche Verantwortung, das Eigentum, die Direktvergabe für den besten Service und den Schutz öffentlicher Investitionen fördert.
mitgeteilt im Juni 2024