Der Herbst hält Einzug und verleiht dem Land mit seinen zarten Nebelschwaden eine sanfte, fast märchenhafte Stimmung, bevor es in Strömen zu regnen beginnt. Ende des romantischen Exkurses.
Die Karten sind neu gemischt
Vor gut zwei Wochen hat Luxemburg gewählt. Nach den ersten Hochrechnungen war klar, dass es keine 3. Auflage des bestehenden Dreierbündnisses geben würde. Die Frage war nur, in welche Richtung das Pendel ausschlagen würde. Am Ende des Wahlabends führte kein Weg mehr an der CSV vorbei. Sie hätte nun die Ehre oder die Bürde, sich einen Koalitionspartner auszusuchen.
#Luc
Mit dem Gewinnen ist das so eine Sache. Man kann gewinnen, indem man seine eigene Leistung enorm steigert, oder man kann gewinnen, indem man andere schwächt. Ich wage zu behaupten, dass mit einem Stimmenzuwachs
von 0,9% das 2. Szenario mehr zu Gunsten der CSV gespielt hat. Der Wow-Effekt des neu entdeckten #Luc war eher mäßig. Aber immerhin, es hat gereicht! Noch am Wahlabend versicherte #Luc, dass man sowohl mit der DP als auch mit der LSAP Gespräche führen werde. Wer die anschließende Elefantenrunde im Fernsehen verfolgte, konnte an Mimik und Gestik diverser Akteure recht schnell erkennen, dass die Zeichen eindeutig auf Blau standen. So wurde Luc Frieden von Großherzog Henri kurzerhand zum „Formateur“ ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt, das Amt des Premierministers hatte er so gut
wie in der Tasche. In den Medien wich der Wahlticker schnell dem Koalitionsticker. Alle möglichen Lobbyistender Wirtschaft, Vertreter der Gewerkschaftsszene und derZivilgesellschaft marschieren über die Fernseh- und Radiowellen.Die Wirtschaft hofft auf liberale Maßnahmen, umdie Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Wir als SYPROLUXbefürchten jedoch, dass der arbeitende Menschunter die Räder der Wirtschaft gerät, nicht umsonst betonenalle Gewerkschaften immer wieder die sozialen Bedürfnisseunserer Gesellschaft. Als SYPROLUX erinnernwir auch daran, dass der letzte liberale Verkehrsminister
wenig von der Daseinsvorsorge des öffentlichen Verkehrshielt. Eine der schwerwiegenden Folgen war ein fast fünfjähriger Einstellungsstopp bei den CFL.
Politisch geteert und gefedert
Während das Gesamtergebnis wenig überraschendausfiel, war die regelrechte Abstrafung von Déi Gréngdoch unerwartet. Dass ein Partner mehr Federn lassen muss, liegt in der Natur der Sache, dass er aber in diesemAusmaß geteert und gefedert wird, ist für Luxemburger Verhältnisse ungewöhnlich. Das Wahlergebnis folgt einem unheilvollen Trend, der vor allem von unseren deutschen Nachbarn ausgeht. Am selben Tag wie in Luxemburg wurde auch bei unseren deutschen Nachbarn in Bayern
und Hessen gewählt. In Bayern sorgt Söders Lieblingskoalitionär, die Freien Wähler, mit 15,8% dafür, dass sein Thron nicht wackelt. Die AFD wird mit 14,6% drittstärkste Kraft. In Hessen wurde die rechtsextreme AFD mit 18,4% zweitstärkste Partei. Vereinfacht könnte man bei all diesen Wahlen von einem Rechtsruck sprechen. Doch zumindest für Luxemburg stellt sich die Sache etwas komplizierter dar. Denn schaut man sich die Prozentzahlen einer ADR an, so erscheint einem dieser fast schon
ekstatische Freudentaumel des Wahlabends samt eingefrorenem „Jokerlächeln“ eines Fred Keup eigentlich noch überirdischer. Zum Wahlsieg gehört schon etwas mehr als ein Plus von 0,99 Prozentpunkten. Gefährlich ist vor allem das Narrativ, dessen sich diese Partei bedient.
Sex sells, but fear sells even better.
Erinnern wir uns an die Plakate der ADR. Lassen wir das Plakat beiseite, auf dem man meinen könnte, die „gëlle Fra“ würde Fred Keup krönen oder ihm vielleicht einen Heiligenschein aufsetzen. Die meisten Fotos, zumeist reißerische Shutterstock-Bilder, und Slogans spielten offen mit den Ängsten der Menschen in Bezug auf Sicherheit, Wohnen, Einwanderung und nutzten alle Mittel, um ihren ärgsten Feind darzustellen, indem sie Déi Gréng als Verbotspartei und Zerstörer der traditionellen Familie darstellten. Die Grünen wurden von der ADR geradezu als Gefahr für die Gesellschaft gebrandmarkt. Mit dem gleichen Narrativ
operiert eine AFD in Deutschland und kommt bei den Wählern an. Die Haut ist immer näher als das Hemd.
Die Geister, die ich rief
So einen schleichenden braunen Trend hatten wir vor gut 80 Jahren schon einmal, das war scheiße. Das wollen wir nicht mehr. Angesichts der Tatsache, dass im luxemburgischen Parlament der Abgeordnete Tom Weidig sitzen wird, der in einem öffentlichen Posting auf Facebook schrieb, dass nicht jedes Land die Ehre gehabt hätte, damals zum Dritten Reich zu gehören, müssen wir mehr denn je wachsam sein gegenüber solchem Gedankengut. Dass diese Person auch noch den Holocaust verharmlost, ist angesichts des wachsenden Antisemitismus nicht hinnehmbar. Der Satz „Nie wieder!“ ist so aktuell wie lange nicht mehr.
Mylène BIANCHY