Nun, jetzt ist er da, der gratis öffentliche Transport! Mit einem großen Musikfest in Bus, Tram, Zug und Bahnhof, hieß man ihn am 29. Februar 2020, demnach ein Tag früher als angekündigt, willkommen.

Eine Vielzahl an jungen Künstlern haben sich auf ihre ganz eigene Weise, mit ihrer Performance zum Thema gratis öffentlicher Transport geäußert. Ob man nun unbedingt eine Fahrkarte mit den Zähnen zerreißen muss, als würde man die Fesseln des Kapitalismus zermalmen, sei mal dahingestellt und fällt für mich unter künstlerische Freiheit. Doch wenn ein junger Künstler in der Tram auf Sitze springt oder sich an Halterungen hängt, so kann ich verstehen, dass solche Vorgehensweise, doch mit viel Befremden zur Kenntnis genommen werden. Nicht weil man künstlerische Freiheit nicht anerkennen will, sondern viel eher, weil der Nachahmungseffekt eines solchen Verhaltens groß ist und bei unseren Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsalltag auf wenig Gegenliebe stoßen wird.

SYPROLUX weiterhin kritisch

Als SYPROLUX stehen wir diesem gratis öffentlichen Transport kritisch gegenüber. Nicht, weil wir den Benutzern dies nicht gönnen würden, sondern weil besonders der Eisenbahnbereich nicht bereit ist, sowohl in Punkto Infrastruktur und Material als auch im operativen Bereich. Bis 2027 müssen die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner ein gewaltiges Investitionsvolumen umsetzen.

Digitale Transformation begleiten

Gleichzeitig ist die digitale Transformation unserer Arbeitswelt omnipräsent und in vollem Gange. Man braucht nur an die Einführung der Tabletts bei unseren Lokführern, Zugbegleitern und künftigen Aufsichtsbeamten zu denken. Automatisierte Prozesse, verstärkter Gebrauch von Simulationstechniken in der Ausbildung, der Einsatz von virtueller Realität im Wartungsbereich, alles Überlegungen, mit denen wir uns in naher Zukunft auseinandersetzen müssen. Vor allem müssen wir als Gewerkschaft dafür Sorge tragen, dass jeder Einzelne mit auf den digitalen Zug genommen wird.

Richtiger Zeitpunkt

Es ist falsch uns vorzuhalten wir wären auf der „negativen Schiene“, oder wenn man Gewerkschaften zuhören würde, wäre eh nie der richtige Moment gekommen, den gratis öffentlichen Transport einzuführen. Solche Aussagen sind schlichtweg falsch. Für uns als SYPROLUX steht fest, dass die Politik das Pferd von hinten gesattelt hat. Will man den Individualverkehr eindämmen und den öffentlichen Transport ausbauen, muss das Angebot stimmen und attraktiv für den Kunden sein. Dazu braucht die Eisenbahn weiteres Rollmaterial, welches ab 2022 geliefert werden soll, weitere Kapazitäten auf dem Schienennetz, welche mit der Strecke Luxemburg - Bettemburg kommt, ein fertiggestellter Bahnhof Luxemburg, ein neues Stellwerk in Ettelbrück und Bettemburg, sowie die Fertigstellung der Parkhäuser in Rodange, Ettelbrück, Mersch und Wasserbillig. Der richtige Zeitpunkt wäre demnach in unseren Augen in Folge der Fertigstellung dieser Projekte gewesen.

Gleich zu Beginn ein paar bedenkliche Vorkommnisse

Man wird jetzt in den kommenden Wochen und Monaten sehen, wie dieser gratis öffentliche Transport von den Kunden ge-/benutzt wird. Das Zusammenleben zwischen Kunden und Eisenbahner verläuft durchwegs harmonisch. Es ist ja an und für sich nur eine Kleinzahl von Nutzern, welche besonders unseren Zugbegleitern zu schaffen machen. Gleich am ersten Tag der Einführung des gratis öffentlichen Transports versuchten einige diese neu erlangte „Freiheit“ vollends auszuloten. So versuchten einige Individuen ganz unverhohlen in einem Zug Gras zu verkaufen, mit dem Argument, dies wäre ja mittlerweile auch legal in Luxemburg. Bettler waren ebenfalls unterwegs. Als diese dann gestört wurden, wurde der Zugbegleiter angeschnauzt, er solle mal versuchen ihn aus dem Zug raus zusetzen. Die Geister, die man rief!

Demnach ist die Dringlichkeit nach einer gesetzlichen Anpassung der „Loi sur la sécurité dans les transports publics“ von 2009 vollends gegeben und der Ruf nach einer Sitzung des „comité de pilotage dans les transports publics“ wird lauter.

Mylène BIANCHY